Friedrich Schiller und die Schönheit

Friedrich von Schiller

Friedrich Schiller sieht man im Allgemeinen nicht als einen Vertreter der Romantik. Zusammen mit Wieland, Herder und sein späterer Freund Goethe gehört er zur Weimarer Klassik und vor allem seine Gedichte werden als schöpferische Höhepunkte des Sturm und Drang bezeichnet. Diese Epoche der deutschen Literatur zeigt uns den Menschen als ein künstliches und sittliches Genie, das in der Literatur glanzreich aufblüht. Die Weimarer Klassik ist nicht eine wirkliche literarische Strömung, sie wird von der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller bestimmt, die sich dann auch in literarischem Bereich beschlossen haben einigermaßen zusammenzuarbeiten.

Gleichwohl trifft man in seinen Werken literarische Themen und Einflüsse, die man allerdings mit der Romantik verbinden kann. Schiller fragt danach, wie die Zwiespältigkeit der menschlichen Natur zwischen dem Sinnlichen und dem Vernünftigen sich zu seiner Umwelt verhält. Schiller beschreibt den Menschen als ein Wesen doppelter Natur, der ständig den Einflüssen zwei kontradiktorischer Wirkungskräfte ausgesetzt ist. Schiller spricht über den Stofftrieb und den Formtrieb.

Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich von Schiller in Weimar

Der Stofftrieb

Der Stofftrieb beschreibt das natürliche Dasein des Menschen und umfasst sinnliche sowie körperliche Bedürfnisse. Er ist der Drang die Welt zu erfahren und seine eigene Existenz zu fühlen. Die Sinnlichkeit bedeutet hier, dass Entscheidungen von Emotionen und Gefühlslagen geprägt werden. Laut Schiller lassen im Besonderen junge Menschen sich von dem Stofftrieb leiten.

Der Formtrieb

Der Formtrieb kommt aus unserer rationalen und moralischen Natur hervor und strebt das Unveränderliche und Zeitlose nach. Der Formtrieb gewinnt während des Lebens an Bedeutung und die Harmonie des Menschen mit der Welt wächst. Die Ebene der Vernunft wird an ihn gespiegelt und kann als einen Ausdruck des Geistes betrachtet werden. Er ist weitgehend mehr als nur eine Errungenschaft der Kultur.

Schiller präferiert nicht einen über den anderen, er stellt nüchtern fest, dass beide für das Wohlbefinden des Menschen benötigt sind, und dass eine Ausgewogenheit gefunden werden soll. Der Formtrieb macht es schon möglich für den Menschen die Welt zu verstehen und Fortschritte im Leben zu verwirklichen, aber er unterwirft auch den Menschen der Rationalität, die dafür sorgt, dass Grenze, Gesetze und Pflichten die schöpferischen Fähigkeiten und sinnliche Wünsche des Menschen einschränken.

Das Spiel macht zu einem besseren Menschen

Im Spiel kommen die beiden Triebe zusammen. In seinem 15. Brief „Uber die ästhetische Erziehung des Menschen schreibt Schiller wahrscheinlich seinen berühmtesten Satz: ‚‘um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.‘‘ In diesem Brief arbeitet Schiller eine kulturanthropologische These aus, die bis zu unserer Zeit weitreichenden Einfluss auf unsere Vorstellungen von Kultur und Schönheit ausübt

Schiller kommt zu seiner These nach dem grausamen Scheitern der französischen Revolution. Zunächst hatte er die Revolution begrüßt. Als sie dann entgleist, argumentiert Schiller, dass das tierische Element im Menschen noch zu stark ist und er nicht in der Lage sei Exzesse zu vermeiden Andere glauben, dass der Mensch während der Revolution lernt was Freiheit bedeutet, aber Schiller stimmt das nicht zu. Man kann nicht den Staat völlig zerbrechen, ohne zu wissen wie man eine neue Struktur aufbaut. Der Mensch ist innerlich noch nicht von barbarischen Instinkten frei.

Immanuel Kant

Zwar leben wir in einem Zeitalter der Aufklärung und gesellschaftliches Fortschritts, dennoch behauptet Schiller, dass die Aufklärung Menschen nur äußerlich geändert hat. Sein innerliches Wesen ist bisher im Kern ungerührt geblieben und muss noch umgestaltet werden. Es geht darum, die richtigen gesellschaftlichen Grundlagen zu schaffen, unter denen die beiden grundsätzlichen Urtriebe des Menschen in Harmonie zu einander stehen und zur völligen Entfaltung kommen.

Der Spieltrieb vereinigt das Sinnliche und das Moralische miteinander. Von der einen Seite wird der Mensch zivilisiert, andererseits lässt das Spiel ihm die Möglichkeit seine Träume, Wünsche und Begierden zu entfalten, ohne das er dabei anderen schadet oder ihre Freiheit nimmt. Schiller folgt Kant, der auch zwischen Leiblichkeit und Moral einen Unterscheid macht und den Menschen als ein gespaltetes Subjekt bezeichnet. Kant aber betont immer die Moral und Schiller empfindet seine Lehre als sehr abstrakt. Wir sollten unsere beiden Triebe umarmen und verknüpfen.

Vom Spiel zur Freiheit

Aber der Mensch braucht Freiheit zum Spielen. Und die innere Befreiung der Menschen erreicht man nur über die äußere politische Freiheit. Andere, wie Fichte, glauben, dass man Freiheit nur erfährt, wenn man um sie kämpft. Schiller ist anderer Meinung: Wenn die Macht des Staates zu früh auflöst, folgt nur Anarchie, da die Menschen nicht wissen wie mit der Freiheit umzugehen. Man sollte ihm die Zeit gönnen ‚‘zu üben‘‘. Der Mensch muss sich die geistigen Fundamente der Freiheit erlernen, bevor eine politische Umwandlung stattfinden kann.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Aber woraus sollten diese Spiele bestehen? Für Schiller sind das primär die Literatur und die Kunst. Gerne weist er dabei auf die Importanz von Ritualen, Tabus und Symbolisierungen hin, die seiner Meinung nach den Weg aus der Naturexistenz der Menschen zur Kultur ermöglicht haben. Spiele sind in vielen Hinsichten ihre Fortsetzung und dämmen die zwingenden gewalttätigen und freiheitsbedrohenden Folgen von Sexualität, Aggression, Konkurrenz und Verfeindung ein. Diese Triebe hören allmählich auf tierisch zu sein und werden wahrhaft menschlich. Später würde man das Sublimierung nennen. Krankheit und Verfall verschwinden in den Hintergrund und die Kreativität der Menschen wird entzündet, ohne wieder in die Barbarei zu verfallen.

Karl Marx

Das heißt, Spiele schaffen Freiheitsräume uns Schiller glaubt, dass damit Kultur gebildet wird, die der Mensch von Tod und Vernichtung entlastet und zusammenleben wirklich möglich macht. Der tierische Mensch wird ein soziales Wesen und die jetzt entstandene Kultur ersetzt die Grausamkeit und den Ernst des Lebens durch Spiele. Die Begierden und Affekte, die uns beherrschen, müssen einen freien Spielraum gegenüber gesetzt worden, damit wir sie kontrollieren und überwinden können, und zur gleichen Zeit ihre schöpferische Kräfte erhalten bleiben. Die Spiele und Sublimierungen unserer Triebe führen uns zu einem wirklichen Begriff von Schönheit und formen ‚‘den ästhetischen Menschen‘. Der ästhetische Mensch versteht was Schönheit bedeutet und nur mit diesem Schönheitsbegriff kommt er zu Freiheit. Der ästhetische Mensch wird seine Freiheit niemals missbrauchen um andere ihre Freiheit zu nehmen.

Schönheit ist Ziel des Lebens

Schiller glaubt, dass die bürgerliche Gesellschaft unter dem Diktat der Nützlichkeit steht. Die schönen Künste lernen uns, dass die wirklichen wichtigen Sachen des Lebens, wie Liebe, Freundschaft und Religion ihren Zweck in sich selbst finden und nicht sinnvoll sein sollten. Wir sollten sie bloß erfahren und genießen und uns dabei keine Gedanken machen wie sie uns nützlich gemacht werden können. Schönheit genießen ist der Zweck des Lebens.

Max Weber

Für Schiller gibt es noch ein Übel der bürgerlichen Gesellschaft: die Arbeitsteilung. Er versteht, dass sie in der modernen Gesellschaft unvermeidlich ist, trotzdem betrachtet er sie als eine Deformation des Menschen. Die Arbeit wird von ihrem Genuss und dem Endziel geschieden und die Anstrengung von ihrer Belohnung. Die Gesellschaft wird immer komplexer, aber der Mensch sieht seine Möglichkeiten zur Selbstentfaltung ständig verengen. Auch hier gibt die Kunst dem Menschen die Gelegenheit mit allen seinen Kräften zu spielen. Er kann die Folgen der Arbeitsteilung damit nicht überwinden, jedoch auf solche Weise kompensieren. In einem befristeten Augenblick und im Bereich der Kunst und der Schönheit belebt der Mensch eine Totalität, die ihm in seinem alltäglichen Leben weggenommen worden ist.

Die Theorie des ästhetischen Menschen hat zu einer beispiellosen Rangerhöhung der Kunst und Literatur beigetragen. Schiller hat für immer die unabhängige Position von Kunst gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungen und Machtverhältnissen grundsätzlich und klassisch formuliert.

Schiller gibt der Romantik Ewigkeitsdauer

Georg Simmel

Schiller folgt der Denkbewegung der Romantik, wenn er sagt, dass die heutige Gesellschaft zu viel von Fortschrittsdenken, Nützlichkeit und Wissenschaft geprägt wird. Der Mensch braucht seine Begierden und Affekte um schöpferisch zu großen Leistungen zu kommen. Er sucht auch in der Vergangenheit eine Vorstellung des idealen Staates. Der klassische griechische Mensch war nicht der Brutalität eines starken Staates unterworfen und betrachtete sich selbst als einen gebildeten Menschen. Es war den alten Griechen gelungen Rationalität mit Sinnlichkeit zu vereinigen. In diesem Sinne schließt Schiller sich auch die Romantik an: er basiert seine zukünftige ideale Gesellschaft auf ein Modell der Vergangenheit.

Die schillersche Theorie des ästhetischen Menschen ist eine kräftige Gesellschaftanalyse, woran Hegel, Marx, Max Weber und auch Georg Simmel später anknüpfen werden. Die Art und Wiese wie Schiller die Arbeitsteilung und ihre Folgen beschreibt, hat diese Denker beeindruckt und weitgehend beeinflusst. Und damit dauert die Epoche der Romantik bis zu unserer Zeit an.

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